Ostschweiz

Juli/September 2016

Diesen Sommer waren wir zweimal in der Ostschweiz, der Gegend wo ich herkomme und die ersten 20 Jahre meines Lebens verbracht habe, sozusagen meine Heimat also. Die gelegentlichen Fahrten in die Ostschweiz beschränken sich meist auf kurze Freundes- oder Verwandtenbesuche und man sieht nicht viel von der Umgebung. Dieses mal aber wollte ich es etwas genauer wissen. Erkenne ich die Orte wieder, wo ich als Kind oder Junge viel Zeit verbracht habe? Hat sich die Gegend sehr verändert? Welche Gefühle löst diese «Wiederkehr» aus?

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Im Juli haben wir eine Wanderung über den Höhenzug, den St.Gallen von Appenzell-Ausserrhoden trennt, unternommen, die sogenannten «Eggen». Früher gab es auf jeder Egg eine Bauernbeiz, wo man einkehren konnte. Das waren Bauernbetriebe mit angeschlossener Wirtschaft, wo meist auch im Fass vergorener Most  ausgeschenkt wurde. Mit der Trogenerbahn fährt man bis Vögelinsegg, von da ab zu Fuss zuerst über den Birt bis zur Waldegg. Von diesem Ort habe ich keine genaue Erinnerung mehr, heute jedenfalls ist es eine «Erlebnisegg», Schnuggebock genannt. Ein hübsches Museum, Holzofenbäckerei, herzige Zicklein, urchige Möblierung und alles was halt zum modernen Tourismus dazugehört. Weiter geht es zur Schäflinsegg, dort ist die Enttäuschung gross, es gibt überhaupt keine Beiz mehr, der Ort gleicht jetzt eher einer vornehmen Wohnlage. Die nahegelegene Jägerei hat wegen Ferien geschlossen, bleibt also nur noch der Abstieg zum Unteren Brand und man staunt, da gibt es noch eine richtige Landbeiz! Hier hatte mein Vater oft verkehrt, war gut bekannt mit der damaligen Pächterfamilie, war sogar Pate eines der Kinder. Hier gibt’s auch noch Saft vom Fass, keinen selbstvergorenen im Steinkrug mehr, sondern in der Flasche von Möhl aus Arbon, dazu Salsiz und Schüblig. Und man sitzt gemütlich wie eh im Gartenrestaurant unter den Bäumen. Rückblickend waren die verschwundenen Beizen eine Enttäuschung, aber die Gegend ist noch immer wunderschön, mit starkem Wiedererkennungseffekt.

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Im September dann hatten wir etwas mehr Zeit. Zuerst fuhren wir mit der Appenzellerbahn nach Appenzell, zum ersten Mal seit Jahrzehnten wieder. Ein schönes Städtchen, aufgeräumt, vielleicht etwas zu putzig. Die meisten Häuser schön hergerichtet, Souvenirs, Trachten, währschafte Kost und was das Touristenherz sonst noch begehrt. Aber auch ein ganz modernes Museum, die Kunsthalle Ziegelhütte, wo bis Ende Oktober noch eine sehenswerte Ausstellung über Robert Frank gezeigt wird. Die Wiesen im Appenzellerland sind von einem unheimlichen Grün, wie man es sonst nirgendwo sieht, und der letzte Hoger ist bewirtschaftet.

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Am nächsten Tag sind wir über Wattwil ins Toggenburg gefahren. Im Neckertal haben wir als Kinder viel Zeit verbracht, Vater ging fischen und Mutter bereitete die frischen Fische als Mittagessen zu. Die alte Wirtschaft, wo Vater immer einkehrte, habe ich aber nicht mehr gefunden. Im Toggenburg fühle ich mich sofort wieder heimisch, der Wiedererkennungseffekt ist gross. Die Hügel sind steiler, die Dörfer ärmer als im Appenzellerland. Alles scheint etwas zurückgeblieben, oder ursprünglicher, wenn man so will. Die Gegend lebt wohl eher vom Wintertourismus und wirkt im Sommer etwas verschlafen.

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Zuletzt ging’s in den Alpstein, das Wanderparadies par Excellence. Die Säntisbahn gibt es zwar schon seit 1935, die anderen Bahnen sind aber wohl meist später entstanden, die Luftseilbahn auf den Hohen Kasten erst 1964. Über die Schwägalp sind wir mit der Bahn auf den 2502 Meter hohen Säntis geschwebt. Die Wanderung würde ich mir wohl nicht mehr zutrauen, nicht so sehr wegen der Anstrengung, als wegen der Steilheit und den Abgründen, ich bin nicht mehr ganz schwindelfrei. Aber von oben aus Gondel sieht alles wohl etwas gefährlicher aus, als es in Wirklichkeit ist. Auch auf den Hohen Kasten sind wir mit der Bahn gefahren, hier wäre der Aufstieg zu Fuss wohl zu schaffen gewesen, hätten wir Wanderschuhe dabei gehabt. Vom Hohen Kasten sieht man ins Rheintal, ins Appenzellerland und bis nach St.Gallen. Was mir aber noch mehr gefallen hat, waren der Sämtisersee, wo mein Vater ebenfalls fischen ging, und das Plattenbödeli. Beide Orte scheinen mir sehr vertraut, ich bin mir aber nicht mehr sicher, ob ich selbst dort war oder die Orte nur aus den Erzählungen meiner Eltern kenne. Mit diesem Link kann man in das Tal hineinzoomen.

N.B. In den Fotogalerien kann man in den Grossansichten unten rechts auf dasMapnMarker_gray-20pxSymbol klicken um in Google Maps den jeweiligen Aufnahmeort auf der Karte zu sehen.

1 Kommentar zu «Ostschweiz»

  1. Hans-Peter Nobel

    Hallo Michael, du hast in der Pensionierung wirklich deine Ecke gefunden. Die Vogelbilder sind ausgezeichnet. In unserer Gegend hier leben viele Rotmilane und natürlich Raben. Die letzten paar Wochen sehe ich kaum noch Kleinvögel. Während des Winters kommen sie scharenweise bei uns zu Besuch. Es besteht immer ein gutes Angebot an Körnern in drei verschiedenen Vogelhäusern in unserem Garten. Wir geben gewöhnlich über hundert Franken für Vogelfutter aus pro Winter. Da liegt als freiwillige Spende für die Vogelwarte Sempach nichts mehr drin.
    Auch deine Landschaftsbilder sind inspirierend. Die meisten Orte kenne ich ja. Aber irgendwie sehe ich die mit anderen Augen als du, sagen wir: mehr zweidimensional. Ich freue mich schon auf die nächste Serie.
    Alles Gute und herzliche Grüsse
    Hans-Peter

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